Erkrankungen & Therapien Fachbereich Neurologie
Epilepsie
Die Epilepsie ist eine Erkrankung des Nervensystems, bei der Nervenzellen des Gehirns Signale aussenden, die der Patient nicht beeinflussen kann. Diese Signale führen zu den Anfällen, die gekennzeichnet sind durch Bewusstseinsstörungen und unwillkürliche Bewegungen bis hin zu Stürzen. Durch die Stürze kann es zu Verletzungen kommen. Bereits in der Antike wurde die Erkrankung durch Hippokrates beschrieben.
Epilepsien sind gekennzeichnet durch wiederholt auftretende epileptische Anfälle, im Verlauf des Lebens erkranken weltweit etwa 1% aller Menschen an einer Epilepsie. 5% aller Menschen erleiden einmalig im Leben einen epileptischen Anfall, oft ausgelöst durch eine andere Erkrankung, die Hirnschäden verursacht (Schädel-Hirn-Verletzungen, Schlaganfälle, Gehirnentzündungen). Bei angeborenen Fehlbildungen des Gehirns, bei frühkindlichen Hirnschäden oder auch bei Formen der Epilepsie, bei denen eine erbliche Veranlagung vorliegt, beginnt die Erkrankung häufig im Kindes- und Jugendalter. Durch die im Alter häufigeren Hirnschäden (vor allem durch einen Schlaganfall oder chronische Durchblutungsstörungen der kleinen Hirngefäße) erkranken auch ältere Menschen gehäuft an einer Epilepsie.
Im Intervall zwischen den Anfällen sind die Patienten beschwerdefrei und können ein weitgehend unbeeinträchtigtes Leben führen.
Bei den epileptischen Anfällen unterscheidet man zwischen fokalen und generalisierten Anfällen:
Bei fokalen Anfällen ist nur ein Teil des Gehirns durch die Störung betroffen, sodass auch die Symptomatik des Patienten auf bestimmte Körperteile begrenzt ist (z. B. unwillkürliche Bewegungen eines Armes oder Beines, unwillkürliche Kau- oder Schmatzbewegungen, unwillkürliche Kopf- oder Körperdrehungen). In wechselnder Ausprägung und Dauer kann das Bewusstsein eines Patienten im Anfall gestört sein, so dass er z. B. keine adäquate Reaktion auf Ansprache zeigt.
Bei generalisierten Anfällen ist im Anfall das gesamte Gehirn betroffen, es kommt regelhaft zu Bewusstseinsstörungen, oft zu bedrohlich wirkenden Verkrampfungen des gesamten Körpers und unwillkürlichen Bewegungen von Armen und Beinen, häufig mit Stürzen, die nicht selten zu Verletzungen führen. Dieser sogenannte Grand mal Anfall (generalisierter tonisch klonischer Anfall) hat das Ansehen der Erkrankung Epilepsie geprägt, ist jedoch nur eine Form vieler verschiedener Anfallsarten. Aufgrund des plötzlichen Auftretens sah man in der Antike in den Erkrankten oft Menschen, die in besonderer Beziehung zu den Göttern standen (Morbus sacer = heilige Erkrankung), wohingegen im Mittelalter die Erkrankten stigmatisiert und ausgegrenzt wurden, da die Erkrankung als Heimsuchung Gottes angesehen wurde. Bei keiner anderen Erkrankung wurden so viele Heilige als Fürsprecher angerufen (Hl. Valentin, Hl. Johannes, Hl. Cornelius, Hl. Vitus). Trotz der Fortschritte infolge der Aufklärung wurden Epilepsiekranke noch in der Zeit des Nationalsozialismus zwangssterilisiert oder gezielt getötet (Aktion T4).
Zentraler Punkt der Diagnosestellung bei einer Epilepsie ist die Anamnese. Nur die möglichst präzise Schilderung des Anfallsablaufes kann zu einer korrekten Einordnung des Geschehens führen. Da die Patienten im Anfall häufig Bewusstseinsstörungen haben, können sie sich sehr häufig an den Anfall selbst nicht erinnern, möglichweise nur an den Beginn des Anfalles mit einem Vorgefühl (Aura). Wenn sich der Patient nicht an einen Anfall erinnern kann, ist man auf die Beschreibung eines Angehörigen oder anderer Menschen angewiesen. Wichtige Punkte sind dabei die Beschreibung des Patienten (Gesichtsfarbe, Augen geöffnet oder geschlossen, Kopf- oder Körperdrehungen, unwillkürliche Bewegungen und deren Ablauf, Reaktionen des Patienten auf Ansprache, Zungenbiss, Einnässen, Dauer des Anfalles).
Das wesentliche Diagnoseinstrument ist bei der Epilepsie das EEG (Elektroenzephalogramm), mit dem die elektrische Aktivität des Gehirns aufzeichnet wird, aufgenommen durch Elektroden, die auf der Kopfhaut aufgesetzt werden. Diese 1929 von Hans Berger in Jena erstmalig beschriebene Methode erlaubt den sicheren Nachweis einer erhöhten Anfallsbereitschaft des Gehirns. Angewandt wird die Diagnostik mit Ableitungen im Wachzustand, Ableitungen im Schlaf sowie auch 24 Stunden-Langzeit-Ableitungen, bei denen sich der Patient mit einem tragbaren Gerät frei bewegen kann. Die routinemäßig eingesetzte Video-Doppelbildtechnik erlaubt die gleichzeitige Aufzeichnung von EEG und Verhalten des Patienten im Video.
Weiterhin gehört zur routinemäßigen Diagnostik die Darstellung des Gehirns mit Hilfe der Computertomographie und der Kernspintomographie, bei denen strukturelle Auffälligkeiten des Gehirns erkannt werden können (Fehlbildungen, Entzündungen, Schlaganfälle, Raumforderungen).
Liegen bei einem Patienten durch bestimmte Auslöser provozierte Anfälle vor, so ist hier das Vermeiden der anfallsauslösenden Faktoren die älteste und einfachste Therapie (Vermeiden von Schlafmangel, Alkohol, Flickerlicht). Häufig reicht dieses jedoch nicht aus, sodass eine medikamentöse Behandlung erforderlich wird. Als erstes Antikonvulsivum (Medikament gegen Anfälle) wurde 1857 Brom eingeführt, mittlerweile gibt es eine große Zahl von antikonvulsiv wirkenden Medikamenten. Unter der Therapie mit diesen Medikamenten ist bei über der Hälfte bis zu 2/3 der Patienten eine Anfallsfreiheit zu erreichen. Bei den verbleibenden nicht anfallsfrei gewordenen Patienten wird die Anzahl epileptischer Anfälle deutlich reduziert. Da die Medikamente auch Nebenwirkungen haben (Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Unverträglichkeitsreaktionen) ist es notwendig, aus der großen Zahl der Medikamente das für den Patienten und die bei ihm vorliegende Form der Epilepsie geeignetste Präparat auszuwählen. Bei einigen Patienten mit fokalen Hirnschäden besteht die Möglichkeit eines epilepsiechirurgischen Eingriffes, bei dem durch eine operative Entfernung des erkrankten Hirngewebes eine Heilung, oder zumindest eine Besserung der Erkrankung erreicht werden kann.
Der stationäre Aufenthalt im AKH Celle dauert im Regelfall 5 bis 7 Tage und es schließt sich daran meist eine stationäre Rehabilitation für weitere 2-3 Wochen an. Sechs bis acht Wochen nach der Operation ist eine Kontrolle bei dem einweisenden Orthopäden mit Röntgenkontrolle der Prothese angeraten.
Die Empfängnisverhütung sollte intensiv mit dem behandelnden Neurologen und Gynäkologen abgestimmt werden, die "Pille" und auch die "3-Monatsspritze" können zu Wechselwirkungen mit der antikonvulsiven Medikation führen. Als nichtmedikamentöse Alternative bietet sich die Empfängnisverhütung durch Barrieremethoden (Kondome, Diaphragma) an, sicherer ist jedoch die Anwendung einer Hormonspirale, bei der es keine Wechselwirkung mit der antikonvulsiven Medikation gibt.
Frauen mit Epilepsie sollte auch während einer medikamentösen Behandlung nicht von einer Schwangerschaft abgeraten werden. Eine Schwangerschaft sollte jedoch geplant und engmaschig neurologisch begleitet werden. Bereits vor Beginn der Schwangerschaft und während der ersten drei Schwangerschaftsmonate sollte Folsäure in ausreichender Dosis (5 mg/Tag) eingenommen werden. Auch unter Medikation mit Antikonvulsiva kommen über 90 % der Kinder von an Epilepsie erkrankten Frauen gesund zur Welt, dennoch kann durch die Medikation vor allem bei der Kombination mehrerer Präparate eine Fehlbildung bei dem werdenden Kind ausgelöst werden. Aus diesem Grund sollte eine Schwangerschaft sorgfältig geplant werden, um eventuell vor der Schwangerschaft eine Medikamentenumstellung durchzuführen. Keinesfalls sollte eine Patientin aus Angst vor möglichen Fehlbildungen eine bestehende Medikation ohne Rücksprache mit dem behandelnden Neurologen absetzen.
Nach der Geburt ist das Stillen eines Kindes möglich, da jedoch Antiepileptika in die Muttermilch übergehen können, sollte auch dieses mit den Neurologen, Kinderärzten und Gynäkologen zuvor geplant werden.
Ausführliche Informationen über dieses Thema und über das europäische Register für Schwangerschaft und Antiepileptika (EURAP) finden Sie auf der Website von Eurap.
Hauptansprechpartner am AKH zum Thema Epilepsie ist Herr Oberarzt Dr. P. Ettelt, der die EEG-Abteilung leitet.
Häufig behandelte Muskelerkrankungen
Bei dieser Störung entwickeln sich unter Belastung zunehmende Muskelschwächen, die nach einer Pause zunächst wieder besser werden. Erste Symptome treten häufig im Rahmen von Infekten auf, die Patienten leiden unter Sprech- und Schluckstörungen, Doppelbildern, einem hängenden Augenlid oder auch unter Schwierigkeiten, mit den Armen über Kopf zu arbeiten. Hervorgerufen wird die immunologisch bedingte Erkrankung durch die Produktion von Antikörpern gegen die Übertragungsstellen zwischen Nerv und Muskel (neuromuskuläre Endplatte), so dass die Nervenimpulse den Muskel nicht mehr erreichen können, was zu der Schwäche führt. Die Erkrankung wird durch den Nachweis der Antikörper, durch Injektion eines Gegenmittels („Tensilon-Test“) und elektromyografisch diagnostiziert. Bei der Elektromyografie wird die Reaktion des Muskels auf wiederholte (repetitive) elektrischen Reize getestet (Decrement-Test). Die Erkrankung kann bedingt sein durch eine Veränderung in der Thymusdrüse (Bries), die dann ggf. entfernt werden muss. Medikamentös erfolgt eine Einstellung auf Cholinesterasehemmstoffe, die die Übertragung an der neuromuskulären Endplatte verbessern, neben einer Hemmung des überreagierenden Immunsystems durch Cortison-Präparate und Azathioprin (Zytostatikum) oder andere Substanzen.
Bei dieser sehr heterogenen Gruppe von Erkrankungen kommt es durch Entzündungen in der Muskulatur zu zunehmenden Schwächen, häufig auch zu starken Muskelschmerzen, die zu einer fortschreitenden Immobilisierung der Patienten führen. Die Erkrankung kann durch eine unkontrollierte Überfunktion des Immunsystems bedingt sein (Polymyositis, Einschlusskörperchenmyositis), kann auch im Rahmen von Tumorerkrankungen auftreten (Dermatomyositis, paraneoplastische Erkrankung).
Diagnostisch leitend ist die Muskelfunktionsuntersuchung mit der Elektromyografie, bei der durch eine kleine Nadel im Muskel die Muskeltätigkeit untersucht werden kann. Häufig ist eine operative Probeentnahme aus dem Muskel notwendig, um unter dem Mikroskop die Erkrankung genau bestimmen zu können.
Die Therapie richtet sich nach der Grunderkrankung (Behandlung der Tumorerkrankung, Gabe von Cortisonpräparaten, intravenöse Gabe von Immunglobulinen).
Bei dieser ebenfalls heterogenen Gruppe von deutlich selteneren Erkrankungen kommt es zu einer verschieden rasch ablaufenden Rückbildung der Muskulatur, die schmerzlos verläuft, manchmal nur leichte Symptome verursacht, aber auch zu schweren körperlichen Beeinträchtigungen führen kann. Die Erkrankungen entstehen durch erblich bedingte Fehler im Aufbau einer Muskelzelle, so dass die Muskelzellen ihre normale Funktion nicht mehr aufrechterhalten können, sich zurückbilden und damit die Schwäche auslösen.
Die bekannteste Erkrankung ist die Duchenne Muskeldystrophie, die bereits im frühen Kindesalter beginnt, im Erwachsenenalter beginnen häufig die Gliedergürtelformen der Muskeldystrophien. Gemeinsam ist allen Erkrankungen, dass sie aufgrund der erblich bedingten Fehler im Aufbau der Muskelzellen nicht medikamentös behandelbar sind. Wesentlich ist daher die krankengymnastische Behandlung um mit Ausgleich über die noch intakten Funktionen eine möglichst lange Selbstständigkeit des Patienten zu erreichen.
Diese Erkrankung wird auch als Muskelschwund bezeichnet, es kommt zu einer meist rasch innerhalb von Monaten bis zu 2 Jahren fortschreitenden Schädigung nur der motorischen Bahnen vom Gehirn zu der Muskulatur. Die Patienten bemerken eine zunehmende schmerzlose Schwäche ohne begleitende Gefühlsstörungen, die im Verlauf zu einer deutlichen Muskelrückbildung (Atrophie) führt, die wiederum bis hin zur Pflegebedürftigkeit und auch Atemlähmung führen kann. Seltene Fälle zeigen lange Verläufe, der bekannteste Patient ist dafür der Physiker Stephen Hawking. Es steht eine Medikation (Rilutek®) zur Verfügung, die die Erkrankung verlangsamen, jedoch nicht heilen kann. Im Vordergrund der Therapie steht daher die Linderung der Symptome des Patienten. In der Neurologie der MHH Hannover gibt es ein Forschungszentrum, dass sich mit dieser Erkrankung unter der Leitung von Prof. Petri intensiv befasst.
Weitere Erkrankungen
Der Morbus Parkinson (Synonym Parkinson‘sche Erkrankung oder idiopathisches Parkinsonsyndrom) wurde erstmals 1817 von James Parkinson beschrieben.
Es handelt sich um eine Erkrankung vorwiegend des mittleren bis höheren Lebensalters (selten vor dem 40. Lj. bei familiärer Form) und ist mit einer Häufigkeit von >3% bei über 75-jährigen eine häufige Erkrankung.
Beim Morbus Parkinson kommt es zu einem chronisch fortschreitenden Abbau dopaminproduzierender Zellen v. a im Gehirn. Die Ursache hierfür ist unbekannt. Dopamin ist ein Botenstoff, der viele Funktionen im Nervensystem steuert, aber v. a. für die Koordination bestimmter Bewegungsabläufe verantwortlich ist.
Durch den Mangel an Dopamin, aber auch anderer Botenstoffe kommt es damit zu den Hauptsymptomen, den sogenannten Kardinalsymptomen des M. Parkinson:
- Bewegungsarmut (Bradykinesie oder Akinese)
- Steifigkeit von Armen und Beinen (Rigor)
- Zittern (Tremor)
- Gleichgewichtsstörungen (posturale Instabilität), eher in fortgeschrittenem Stadium
Aber auch andere Symptome wie Riechstörung, Verstopfung, Gliederschmerzen, Schlafverhaltensstörung, Depression, Demenz, verminderte Mimik können schon vor den Bewegungsstörungen oder im Verlauf auftreten.
Die Diagnose wird in der Regel anhand der klinischen Symptomatik und dem Ansprechen auf eine spezifische Therapie gestellt. Zum Ausschluss anderer Ursachen (sogenannte atypische Parkinsonsyndrome oder symptomatische Parkinsonsyndrome) müssen noch andere Untersuchungen durchgeführt werden:
- MRT des Kopfes
- Gehirnwasseruntersuchung
- Laboruntersuchungen
Bei Unklarheiten bzgl. der Diagnose gibt es sogenannte nuklearmedizinische Untersuchungen (SPECT) mit der die Diagnose weiter eingegrenzt werden kann.
Der M. Parkinson ist eine chronische, langsam fortschreitende Erkrankung, die aber v.a. im frühen und mittleren Stadium gut behandelt werden kann.
Zu Beginn reichen hier meist Medikamente, die 1- 3 mal täglich gegeben werden. Im weiteren Verlauf, wenn immer mehr dopaminproduzierende Zellen untergegangen sind, sind meist häufigere Gaben oder weiterführende Therapien erforderlich:
- Tiefe Hirnstimulation
- DuoDopa Pumpe
- Apomorphinpumpe
Häufig kann zumindest für eine gewisse Zeit durch eine sogenannte Parkinsonkomplextherapie (siehe Flyer) mit intensivierter Krankengymnastik, Ergotherapie und Logopädie noch eine zufriedenstellende Besserung erreicht werden. Hauptansprechpartner am AKH zu Parkinson ist der Ltd. Oberarzt Herr Dr. O. Pape.
Schwindel ist keine einheitliche Erkrankung, sondern charakterisiert ganz verschiedene Krankheitsbilder unterschiedlicher Ursachen und Fachgebiete. Es gehört zu den häufigsten Symptomen und betrifft 20 – 30% aller Menschen im Laufe ihres Lebens. Insbesondere derjenige Schwindel, der mit einer gestörten Bewegungswahrnehmung wie Drehgefühl oder Schwankgefühl oder Liftgefühl einhergeht, wird meist verursacht durch Störungen im Gleichgewichtssystem des Hirnstammes oder Kleinhirns oder des Innenohres bzw. des Gleichgewichts-nervens. Für diese Erkrankungen ist die Neurologie zuständig, in enger Zusammenarbeit mit der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde. Im AKH Celle haben wir für dieses Gebiet eine überregional bekannte Expertise, da Prof. Heide sich bereits während seiner Tätigkeit an den Universitätskliniken in Tübingen und Lübeck klinisch und wissenschaftlich auf diesem Gebiet national und international qualifiziert hat. Er hat zuerst in Lübeck und in den letzten 10 Jahren auch in Celle eine überregional bekannte Schwindelsprechstunde und ein stationäres Behandlungszentrum für diese Erkrankungen aufgebaut und ist als Spezialist und Referent für diese Erkrankungen national bekannt, unter anderem als Sprecher der Kommission Neurootologie / Neuroophthalmologie der Dt. Gesellschaft für Neurologie und als Fachbeirat der Deutschen Hirnstiftung. Durch ihn ist das AKH Celle Teil des europäischen Netzwerkes „Dizzynet for vertigo and balance research“. Bei dringlichen Fällen und gravierenden Symptomen empfiehlt sich eine stationäre Aufnahme, sofern Ihr betreuender Arzt eine Einweisung für sinnvoll hält. Zur Vereinbarung eines Aufnahmetermins und für ambulante Termine in der vorstationären Schwindelsprechstunde steht unser Sekretariat unter Tel.-Nr.: 05141 72-1401 zur Verfügung.
Die häufigsten Ursachen für Schwindel sind der gutartige Lagerungsschwindel, ein jeweils durch Lagewechsel ausgelöster kurzzeitiger Drehschwindel, der sich gut durch die entsprechenden Therapiemanöver behandeln lässt, ferner die Entzündung des Gleichgewichtsnerven (Neuritis vestibularis, die jetzt Akute unilaterale Vestibulopathie heißt) mit heftigem Drehschwindel über mehrere Tage, die sogenannte „Schwindelmigräne“ und auch Durchblutungsstörungen in den Gleichgewichtszentren des Gehirns. Letzteres sollte auf unserer Schlaganfall-Station abgeklärt und behandelt werden. Für die meisten neurologischen Schwindelerkrankungen gibt es gute und gezielte Behandlungsmöglichkeiten, wobei die individuell krankheitsspezifisch abgestimmten Trainingsprogramme eine große Rolle spielen, unter Anleitung durch unsere darauf spezialisierten Physiotherapeutinnen.
Die Multiple Sklerose ist eine entzündliche (Autoimmun-) Erkrankung des zentralen Nervensystems. Das heißt, dass das körpereigene Abwehrsystem beginnt, - meist schubweise - Nervenbahnen im Gehirn und Rückenmark anzugreifen. Die dabei auftretenden Symptome sind abhängig von dem genauen Ort, an dem die Entzündung aktiv wird (z. B. Sehstörungen bei Befall des Sehnerven). Eine vollständige Heilung der Multiplen Sklerose ist heutzutage noch nicht möglich. Es existieren jedoch bereits viele Medikamente, die den Krankheitsverlauf nachhaltig günstig beeinflussen und die Krankheit zu einem Stillstand bringen können. Je früher, desto besser.
Eine Aufgabe der Neurologie ist es daher, möglichst frühzeitig und sicher die Diagnose zu stellen und gegenüber anderen entzündlichen Erkrankungen des Nervensystems abzugrenzen, um dann die für den individuellen Krankheitsverlauf geeignete Therapie beginnen zu können, wobei heute je nach Krankheitsaktivität moderne Medikamente aus 3 unterschiedlichen Wirksamkeits- und Nebenwirkungs-Kategorien zur Verfügung stehen. Hierzu werden neben den bildgebenden Verfahren (Kernspintomographie) Messungen der Nervenbahnen (Evozierte Potentiale) und Untersuchungen von Blut und Liquor ("Nervenwasser") angewandt.
Sollte es im weiteren Verlauf der Erkrankung zu zunehmenden Funktions-Einschränkungen (z. B. Gangstörung, Bewegungsstörung, Spastik) kommen, so können diese z. B. durch entsprechende Medikamente zumindest gelindert werden. Besondere Behandlungsverfahren, die wir in der Klinik für Neurologie des AKH Celle anbieten, sind die Injektion des Cortison-Präparates Triamcinolon 40 in den Wirbelkanal, die zu einer Linderung der Spastik und oft auch besseren Beweglichkeit und Gehfähigkeit führt, ferner die Injektion von Botulinumtoxin in die von der Spastik besonders stark betroffenen Muskeln, die dadurch „weicher“ werden. Ein weiteres Verfahren, das wir gemeinsam mit den Kollegen der Neurotraumatologie/Neurochirurgie des AKH anbieten, ist die Implantation einer Baclofen-Pumpe über einen Katheter in den Wirbelkanal, die über einen Port gesteuert wird. Baclofen ist ein sehr wirksames Mittel zur Behandlung der Spastik. Auch für die Behandlung von Schwindel und Gleichgewichtsstörungen oder Augenbewegungsstörungen bei MS stellen wir eine besondere Expertise zur Verfügung, ebenso für die Behandlung von Blasenstörungen in Zusammenarbeit mit unserer Klinik für Urologie (Chefarzt Dr. J. Miller). Hauptansprechpartner zu MS ist Herr Oberarzt N. Silligmann sowie Herr Prof. Dr. W. Heide.
Bei der Demenz (lat. ohne Geist/Verstand) kommt es zu einem über mindestens 6 Monate fortschreitenden Verlust der kognitiven (Gedächtnis, Lesen, Schreib en, Rechnen…) und sozialen Fähigkeiten (Haushaltsführung, Mobilität, Kommunikation) sowie zu Orientierungsstörungen mit einer zunehmenden Beeinträchtigung in den Verrichtungen des Alltags. Meist handelt es sich ursächlich um einen chronischen Abbauprozess im Gehirn, der zu einem zunehmenden Untergang von Nervenzellen führt. Als häufigste Ursache ist hier der Morbus Alzheimer zu nennen, eine Erkrankung des höheren Lebensalters, die v. a. zu Beginn durch langsam zunehmende Störungen des Kurzzeitgedächtnisses und einer weiteren „höheren Hirnleistung“ (z. B. der räumlichen Orientierung oder der Sprache) gekennzeichnet ist. Vom Betroffenen wird diese meist nicht realisiert und kann über längere Zeit auch von der Umgebung relativ unbemerkt bleiben, da die Patienten oft eine lange Zeit gut erhaltene „Fassade“ nach außen zeigen, d. h. in der alltäglichen Kommunikation und im Sozialverhalten ihre Beeinträchtigung gut kompensieren können, und auch ihre Gehfähigkeit lange erhalten bleibt. Mit dem Alter steigt das Risiko an einer Demenz zu erkranken (65 J. ca. 1%, > 85 J. ca. 25%).
Die Diagnose wird in der Regel anhand der Symptome und mittels Hirnleistungs-Tests gestellt. Ein MRT vom Kopf und ein EEG sowie umfangreiche Laboruntersuchungen (z. B. des Schilddrüsen- und Vitaminstoffwechsels oder auf Infektionen) gehören zum Ausschluss anderer Demenz-Ursachen mit dazu. Seit einigen Jahren ist es auch möglich, im Liquor („Nervenwasser“) bestimmte Eiweiße zu bestimmen, die auf eine Alzheimer-Demenz hindeuten. Diese und andere Untersuchungen zur Sicherung der Diagnose, führen wir im Rahmen eines kurzen stationären Aufenthaltes in der Klinik für Neurologie durch. Besonders wichtig ist es, durch diese Untersuchungen andere, behandelbare Ursachen von Demenz auszuschließen, wie um Beispiel eine Enzephalitis oder einen Normaldruckhydrocephalus.
Als wahrscheinlichste Ursache für den Abbauprozess im Gehirn bei der Alzheimer-Demenz hat man krankhafte Eiweißablagerungen in und um die Nervenzellen gefunden. Obwohl intensive Forschungen der letzten 20 Jahre Vieles über die dazu führenden biochemischen Vorgänge ans Licht gebracht haben, ist die letztendliche Ursache heute nicht eindeutig geklärt und es gibt entsprechend auch noch keine heilende, kausale Behandlung. Seit einigen Jahren setzen wir aber Medikamente ein, die das Fortschreiten der Erkrankung um ca. 1 Jahr verzögern, aber nicht aufhalten können.
Die Alzheimer-Demenz führt innerhalb von ca. 10 Jahren zu einem zunehmenden Verlust des Gedächtnisses und anderer Hirnleistungen sowie der Selbständigkeit.
Die Behandlung erfolgt zum einen medikamentös, andererseits aber auch durch ergotherapeutische Übungen, die die noch erhaltenen Hirnfunktionen trainieren. Ebenso kann dadurch versucht werden, die Alltagskompetenz, auch mittels Hilfsmittel oder Verordnung eines amb. Pflegedienstes, möglichst lange zu erhalten. Hierzu gehören auch Hilfsangebote für pflegende Angehörige. Weitere Informationen dazu erhalten Sie über die Beratungsstelle der ehrenamtlich arbeitenden, derzeit von Herrn Prof. Heide und anderen geleiteten Celler Demenz-Initiative e. V. (Tel. 05141 9348580).
Neuromuskuläre Erkrankungen sind eine große Gruppe verschiedener Störungen, welche durch Erkrankungen der peripheren Nerven an Armen und Beinen oder der Muskulatur entstehen. Beispielhaft finden Sie in der Folge eine kurze Beschreibung der wichtigsten Erkrankungen aus diesem Formenkreis. Hauptansprechpartner im AKH sind Herr OA Silligmann und Herr Prof. Heide.
Weiterführende Informationen finden Sie auf den folgenden Internetseiten:
Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke e. V.
Friedrich Baur Institut München
Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie
Bei der Polyneuropathie kommt es zu Funktionsstörungen der peripheren Nerven, häufiger an den Beinen als an den Armen. Die Erkrankung zeigt meistens ein über Jahre langsames Fortschreiten, beginnend häufig mit leichten Gefühlsstörungen oder kribbelnden Missempfindungen im Bereich der Zehen, die dann im Verlauf weiter nach oben aufsteigen und oft ein strumpfförmig begrenztes Muster aufweisen. Im Rahmen der Erkrankung kann es auch zu einer langsam zunehmenden Schwäche z. B. der Fußhebung führen, was für den Patienten zu einem patschenden Gang (Steppergang) führt. Der überwiegende Teil der in Deutschland diagnostizierten Polyneuropathien (ca. 1/3) ist bedingt durch die Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus), ferner durch Vitaminmangel, als Fernwirkung einer Krebserkrankung („paraneoplastisch“) oder durch den übermäßigen Genuss von Alkohol, seltener durch die Einwirkung von toxischen Substanzen (organische Lösungsmittel, Zytostatika in der Krebsbehandlung, Blei). Es gibt auch erblich bedingte Fälle einer Polyneuropathie, hierbei kann es zum Auftreten erster Symptome bereits im jugendlichen Alter oder im frühen Erwachsenenalter kommen (z. B. Charcot Marie Tooth Erkrankung) oder auch erst im späteren Lebensalter, wie zum Beispiel die heute behandelbare familiäre Amyloid-Polyneuropathie, die wir in Kooperation mit der Uni Rostock genetisch im Blut nachweisen können. In Abhängigkeit von ihrer Ursache können Polyneuropathien eher die Nervenstränge (Axone) selber oder eher deren Markscheiden betreffen (letzteres vor allem bei entzündlicher Ursache), sie können eher die motorischen oder eher die sensiblen oder vegetativen Nerven betreffen, mit symmetrischem oder asymmetrischem Verteilungstyp. Für diese Analysen spielt die Nervenmessung (Elektroneurografie) eine wichtige Rolle. Wenn sie nur die kleinen marklosen Nervenfasern (die Schmerz, Temperatur und vegetative Funktionen fortleiten) betreffen, spricht man von „small fiber“-Neuropathien, die wir über eine kleine Hautstanze im Institut für Neuropathologie der Uni Aachen nachweisen lassen.
Im Unterschied zu den chronisch verlaufenden Polyneuropathien gibt es auch akute Verlaufsformen, die innerhalb von wenigen Tagen oder Wochen eine schwere Symptomatik bis hin zur Bettlägerigkeit und Beatmungspflichtigkeit aufweisen können. Hierbei kommt es zu einer entzündlichen, durch das Immunsystem hervorgerufenen, Schädigung des peripheren Nervensystems (Guillain-Barré-Syndrom). Diese Erkrankung erfordert eine stationäre, oft auch eine intensivmedizinische Behandlung, es werden Immunglobuline intravenös verabreicht, es kann auch eine Plasmapherese (Blutwäsche) erforderlich sein. Langsamer verlaufende autoimmun-entzündliche Polyneuropathien (sog. CIDP) werden entweder durch monatliche Immunglobulin-Infusionen oder durch Cortison behandelt, seltener durch andere immunsuppressive Medikamente.
Schädigung einzelner peripherer Nerven:
Die häufigsten Erkrankungen der peripheren Nerven entstehen durch lokale Druckeinwirkungen mit nachfolgenden Schmerzen, Gefühlsstörungen oder Lähmungen. Sehr häufig kommt das Karpaltunnelsyndrom vor, hierbei handelt es sich um eine Druckschädigung des Mittelhandnerven (Nervus medianus) am Handgelenk, wo der Nerv durch einen knöchern begrenzten engen Kanal in die Hand zieht. Meistens haben die Patienten bei dieser Erkrankung nächtlich auftretende Schmerzen im Handbereich, verbunden mit Kribbelmissempfindungen der ersten drei oder vier Finger, häufig auch mit Taubheitsgefühlen dieser Finger sowie auch einer Schwäche der Daumenmaus. Die Diagnosestellung erfolgt mit der Elektroneurographie, bei der die Nervenfunktion mit Hilfe elektrischer Impulse gemessen werden kann. Völlig schmerzfrei und genauso sicher ist die Diagnosestellung heute auch mit der hochauflösenden farbcodierten Duplexsonographie möglich, bei der der Nerv durch den Ultraschall präzise mit hoher Auflösung (0,1 mm) in seinem Verlauf dargestellt werden kann. Therapeutisch kann eine nächtliche Schienung der Hand Besserung bringen, bei mangelndem Therapieerfolg ist eine chirurgische Freilegung und Druckentlastung des Nerven erforderlich.
Weiterhin sehr häufig kommt das Ulnarisrinnensyndrom vor (Schädigung des Nervus ulnaris im Sulcus ulnaris). Hierbei wird der Nervus ulnaris in der Ulnarisrinne am Ellenbogengelenk durch Druck geschädigt, die Beschwerden bei der Reizung dieses Nerven sind bekannt als "Musikanten-Knochen". Die Patienten verspüren dabei Taubheitsgefühle und Missempfindungen im Bereich des Ringfingers und des Kleinfingers, nicht selten entwickeln sich auch Schwächen der Fingermuskulatur. Die Diagnosestellung erfolgt auch elektroneurographisch oder mit der hochauflösenden Duplexsonographie. Die Therapie erfolgt zunächst durch mechanische Schonung des Nerven (Abpolsterung, Vermeiden der auslösenden Situationen wie z.B. Aufstützen oder zu langes starkes Anwinkeln des Ellenbogens); sollte dieses nicht zu einer Besserung führen, ist eine neurochirurgische Freilegung des Nerven, eventuell auch eine Verlegung auf die Armbeugeseite zu empfehlen.
Die häufigste Schädigung eines peripheren Nerven an den Beinen ist eine Druckschädigung des N. peronaeus am Wadenbeinköpfchen. Bei dieser Erkrankung wird der Nerv durch lokalen Druck geschädigt, meist durch das Sitzen mit übereinander geschlagenen Beinen oder auch durch langes Sitzen in hockender Position. Der Patient bekommt Taubheitsgefühle und Missempfindungen auf dem Spann des Fußes, der Fuß kann nicht mehr angehoben werden, so dass der Fuß beim Gehen patscht (Steppergang). Auch bei dieser Störung ist der vordringliche therapeutische Ansatz die mechanische Schonung des Nerven und das Vermeiden jeglicher Druckbelastung.